Warum ist am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig? Lustiger Spruch, oft harte Realität. Gerade wenn man dabei ist ein Unternehmen zu gründen, macht der Blick auf die Finanzen nicht immer Freude. Nur die wenigsten Unternehmen können sich von Anfang an aus dem eigenen Cashflow finanzieren. Kapitallücken müssen gestopft werden und die anfänglichen Umsätze, wenn überhaupt welche eingeplant sind, hinken oft hinter dem Plan her. Schnell ist man auf Kapital von Investoren angewiesen. Um den Kapitalgebern ein Entscheidungs- und Analyseinstrument an die Hand zu geben, ist ein Finanzplan, der die finanzielle Geschäftsentwicklung aufzeigt, oft unerlässlich. Doch bei der Erstellung gibt es viele Fehlerquellen und Gefahren:
Fehler Nr. 1: Wir erstellen den Finanzplan nur für die Finanzierungsrunde!
Mit dem Finanzplan richtet ihr euch an potentielle Investoren. Das sind in der ersten Runde für gewöhnlich Business Angels oder auch mal Venture Capital Gesellschaften, die in der Early / Seed-Phase investieren. Bei der Erstellung sollte euch klar sein, dass euer Finanzplan oft als bindende Grundlage für Beteiligungsverträge dient und unter anderem in der Anlage zum Beteiligungsvertrag als Grundlage der Investition angehängt wird. Zielgrößen eures Planes können als Meilensteine definiert werden und die Basis für Finanzierungstranchen darstellen. Erreicht ihr die Ziele nicht, fehlt auch die vereinbarte zweite Tranche. Nicht nur unangenehm, sondern auch geschäftsgefährdend. Auch das monatliche Reporting und euer internes Controlling wird darauf aufgesetzt werden. Daher sollte euer Finanzplan möglichst ein positiv realistisches Bild zeichnen und Metriken darstellen, die zwar ambitioniert, aber auch erreichbar sind.
Fazit: Eine mitwachsende Finanzplanstruktur wählen und nicht nur ambitionierte, sondern erreichbare Zahlen im Forecast angeben.
Fehler Nr. 2: Nur grob den Umsatz planen reicht. Das Geschäftsmodell ist ja im Pitch-Deck erklärt.
Ganz im Gegenteil! Euer Finanzplan sollte immer euer Geschäftsmodell widerspiegeln. Überlegt euch welches eure wichtigsten Treiber für euer Umsatzvolumen sind. Wie hoch ist bspw. euer Traffic an Besuchern, Downloads und/oder Vertriebspartnern? Ermittelt eure Umsatzquellen, aufgeschlüsselt nach Volumina oder anhand von Anzahlen/Mengenangaben. Das vermittelt eine transparente und strukturierte Herleitung eurer Umsätze und eure Annahmen sind direkt erkennbar. Es hilft euch auch nachzuvollziehen und mit Experten abzuschätzen, ob die Annahmen realistisch sind und mit den eingeplanten Finanzmitteln überhaupt finanzierbar. Nachfolgend sollten in sinnvoller Untergliederung eure projizierten Aufwendungen aufgeführt sein. Hier solltet ihr euch grundsätzlich an den Konten der BWAs (Betriebswirtschaftliche Abrechnungen) orientieren, die euer Steuerbüro ausgibt. So habt ihr die verschiedenen Konten für die Buchhaltung gleich im Blick und euch fällt der Soll-Ist Vergleich für das Reporting nachher umso leichter. Aus meiner Erfahrung muss ich leider berichten, dass das Steuerbüro meist komplett „daneben bucht“, weil dem Steuerbüro nicht mitgeteilt wird, welche Kosten wohin zu buchen sind. Oftmals ist vielen Steuerberatern nicht klar, was Kosten für euch bedeuten. Auch steckt der Steuerberater nicht ab Tag eins in eurem Modell drin und daher können Fehler entstehen. Hier sollte man zu Beginn die richtigen Akzente setzen, um sich später viel Zeit zu sparen und für sich und Externe mehr aus den Buchhaltungsauswertungen rauslesen zu können. Wie ihr Steuerberater richtig „steuert“, erfahrt ihr im nächsten Artikel.
Fazit: Das Geschäftsmodell sollte sich immer im Finanzplan widerspiegeln und wählt von vornherein die richtige Gliederung für euren Plan!
Fehler Nr. 3: Dann sparen wir halt mal schnell am Marketing…
Henry Ford hat schon gesagt: „Wer aufhört zu werben, um Geld zu sparen, kann ebenso seine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen.“ Marketingaktivitäten und damit verbunden Marketingkosten stellen in den meisten Unternehmen sehr hohe Ausgabenblöcke dar. Diese sollten also unbedingt im Forecast eingeplant sein. Jedoch nicht, ohne euch vorher zu überlegen, in welchen Wechselbeziehungen das Marketing mit anderen Größen steht und das auch entsprechend zu verknüpfen. Legt euch immer zurecht, welche Größen gewisse Abhängigkeiten zu anderen Größen herstellen. Umso mehr Marketingaktivitäten ihr betreibt, umso mehr Kunden solltet ihr haben, die wiederum Umsatz generieren. Hingegen sollte euch auch klar sein, dass euch ohne Vertrieb und ohne Marketing Umsatz wegbricht. Auch die Anzahl eurer Kunden ist eine abhängige Variable, bspw. von der Besucheranazahl und der Conversionrate auf der Website bei einem webbasierten Geschäftsmodell, oder von der Mitarbeiteranzahl und der Performance des Vertriebsteams. Ebenso sieht es auf der Kostenseite aus. Jeder neue Mitarbeiter ist mit Kosten verbunden, wie Büroeinrichtung, anteilige Miete oder Reisekosten. Zusammenhänge innerhalb der Firma sollten also auch im Finanzplan abgebildet werden und Verknüpfungen richtig gesetzt sein. Verändert ihr einige der Parameter, ziehen die anderen nach und ergeben so schnell einen angepassten Forecast.
Fazit: Abhängige Variablen im Finanzplan unbedingt miteinander verknüpfen. Das spart Zeit bei Anpassungen und vermeidet Fehler in der Planung.
Fehler Nr. 4: Umsatz und Cashflow ist doch dasselbe!
Euer Umsatz und euer Cashflow sind zwei verschiedene Dinge. Euer Umsatz kann durchaus zeitlich verzögert als Geldzufluss ins Unternehmen fließen. Zahlungsziele, die ihr euren Kunden gewährt habt, sorgen dafür, dass Leistungserbringung und Zahlung zeitlich auseinanderfallen. Oder beachtet auch, dass Zahlungsanbieter mit einiger Verzögerung euer Konto füllen. Eventuell müsst ihr aber auch Vorauszahlungen an Dienstleister oder Lieferanten leisten, sodass für euch der Geldabfluss früher anfällt als die entsprechende Leistungserbringung. Wenn auch sehr unschön, aber es kommt immer wieder vor, müsst ihr durchaus auch mit kompletten Zahlungsausfällen kalkulieren. Daher rechnet einen Puffer ein, um nicht vorzeitig zahlungsunfähig zu werden und Überziehungszinsen oder andere Strafzinsen zahlen zu müssen.
Wenn ihr mit hohen Diskrepanzen zwischen Umsatz (Leistungserbringung) und dem dazugehörigen Geldzufluss rechnen müsst, dann plant entsprechend den Verzug in die Planung mit ein, um den Kapitalbedarf realistischer zu planen.
Fazit: Passt die Planung an verzögerte Geldzuflüsse an, insbesondere wenn lange Zahlungsziele mit Kunden oder Lieferanten zu stark abweichenden Einzahlungen oder Ausgaben führen.
Fehler Nr. 5: Wir sind die Chefs, also planen wir uns von Anfang an auch das große Gehalt ein.
Falsch! Sicherlich seid ihr als Gründer diejenigen, die all ihre Energie und ihre Ideen in das Unternehmen gesteckt haben. Tag für Tag arbeitet ihr mit eurem Team unermüdlich an einem Vorhaben dessen Ausgang ungewiss ist. Klar, dass ihr das auch vergütet haben möchtet. Klar ist auch, dass ihr als Gründer mit beispielsweise vielen Jahren Berufserfahrung in großen Firmen gerne euren bisherigen Lebensstandard halten wollt.
Trotzdem, euer Gehalt sollte immer im Verhältnis zum Gehalt der anderen Mitarbeiter und vor allem im Verhältnis zur Liquidität der Firma stehen. Zu Beginn eures Ventures ist jeder Cent wichtig für den Aufbau des Produkts und die Befeuerung des Vertriebs. Für Investoren ist es kein gutes Signal, wenn der / die Gründer Liquidität aus der Firma ziehen, das dann fehlt, um das Startup voranzubringen. Außerdem sind eure Anteile an der Firma ebenso als Vergütungsbestandteil zu sehen.
Fazit: Gehalt ja, keinesfalls übertreiben und keinesfalls am bisherigen Corporate Gehalt festhalten.
Fehler Nr. 6: Wir stellen unseren Kapitalbedarf lieber bescheiden dar.
Wenn ihr die Zahlen für euer Geschäftsmodell nach besten Wissen und Gewissen kalkuliert habt, kann durchaus eine hohe Kapitallücke entstehen. Das betrifft insbesondere Unternehmen, die an technologisch innovativen Entwicklungen arbeiten und erst in vielen Monaten überhaupt Umsätze machen oder lange Sales-Zyklen mit sich bringen. Ihr solltet jedoch zu jeder Zeit in der Lage sein, diese Zahlen mit stichhaltigen Argumenten zu belegen: Hohen Anfangsinvestition sollten laut Planung später hohe plausible Umsatzzuwächse sowie attraktive Unit Economics (Marge je Transaktion, je Kunde etc.) und Rohmargen entgegen stehen, um die Investition mit Gewinn zurückzuerwirtschaften. Zeigt eure Finanzierungsroadmap, was bedeuten kann, dass ihr auf mehrere Finanzierungsrunden angewiesen sein werdet und in welchen Größenordnungen ihr diese einplant. Zu sparen ist an dieser Stelle gefährlich, denn das holt euch in der Regel ein. Kalkuliert lieber einen Puffer mit ein, um auch bei Engpässen zahlungsfähig zu bleiben. Erfahrene Investoren haben schon viele Pläne gesehen und wissen in der Regel was für euer Modell sinnvolle Annahmen sind und unrealistische sparsame Annahmen gibt euch als Team schnell Minuspunkte.
Fazit: Wenn ihr viel Kapital benötigt, kommuniziert das auch. Somit entstehen keine Überraschungen und dem Investor wird klar wie viele Runden geplant sind. Es zeigt, dass ihr groß denkt!
Fehler Nr. 7: KPIs berechnet sich der Investor schon selber.
Im Notfall ja, aber macht das einen guten Eindruck? Nein. Sammelt und berechnet selbst die Kennzahlen, die für euer Unternehmen wichtig sind. Am allerbesten stellt ihr diese unter der zusammenfassenden Gewinn-und Verlustrechnung (GuV) dar und ermittelt, wie sich CAC, CLV und Co. in den kommenden Jahren entwickeln werden. Damit gebt ihr dem Investor das Gefühl, dass ihr im Griff habt, welche Treiber und KPIs für euer Wachstum wichtig sind und was ihr intern überwacht/überwachen wollt. Soviel zur Planung. Die aktuellen Metriken könnt ihr ebenso in einem gesonderten Tabellenblatt in der Excel-Datei festhalten und somit einen ersten Schritt in Richtung regelmäßiges Reporting zeigen. Zusätzlich bilden die KPIs für euch intern ein gutes Controlling-Instrument, um Ziele zu definieren und die Erreichung dieser nachzuvollziehen.
Fazit: KPIs von Anfang an richtig dokumentieren und regelmäßig aktualisieren. Sie sind wichtige Anhaltspunkte für euer internes Controllings und in der externen Kommunikation.
Fehler Nr. 8: Soll doch jeder sehen, dass wir Excel-Götter sind!
Bei der Aufstellung solltet ihr euch weniger daran orientieren in komplizierten Modellen mit Dutzenden Tabellenblättern eure Excel-Fähigkeiten zu demonstrieren. Wichtig sind zwei Dinge für den Investor: Nachvollziehbare Annahmen und einen Überblick über die Entwicklung der Finanzen – idealerweise über fünf Jahre (monatlich und jährlich). Übersichtlich und gut nachvollziehbar haltet ihr den Finanzplan, indem ihr ein Annahmen-Blatt zur Verfügung stellt, in dem ihr alle fixen Werte dokumentiert. Diese werden dann im monatlichen Forecast der GuV miteinander verknüpft und zur Jahressicht zusammengezogen. So könnt ihr direkt nachvollziehen, wie sich Änderungen der Werte aus den Annahmen auf eure Einnahmen bzw. Kosten auswirken. Vermeidet es, viele Tabellenblätter und komplizierte Wege innerhalb des Plans aufzustellen, so dass sich Dritte schnell zurechtfinden können. Im Forecast für EarlyStage Startups eignet sich die Begrenzung von maximal fünf Tabellenblättern. Darin sollte alles Wesentliche darstellbar sein.
Für die Erstellung ist und bleibt Excel ein praktisches Instrument. In meiner Praxis haben sich Google Tabellen als ungeeignet herausgestellt, denn die Handhabbarkeit ist begrenzt und das Exportieren in versendbare Excel-Dateien zerschießt fast jede Formatierung.
Fazit: Ein übersichtlicher und leicht nachvollziehbarer Finanzplan sorgt für klare Verhältnisse sowohl innerhalb des Unternehmens als auch beim Investor.
Fehler Nr. 9: Wir können maximal ein halbes Jahr planen. Alles andere können wir nicht beeinflussen.
Ja und Nein. Euer Unternehmen ist relativ jung und tagtäglich kommen neue Aufgaben und neue Herausforderungen auf euch zu – natürlich ändert sich gerade am Anfang auch viel. In den meisten Fällen schlägt man sich als Gründer von Tag zu Tag. Doch euer Startup ist entstanden, weil ihr eine Vision habt. Und diese sollte sich auch im Finanzplan widerspiegeln. Erstellt den Finanzplan in Monatsscheiben für einen Zeitraum von ca. 3 bis 5 Jahren und kalkuliert die entsprechenden Einnahmen und Ausgaben. Überlegt euch, ob im Laufe der Zeit neue Einnahme- und Ausgabequellen hinzukommen, die bereits heute feststehen. Beispielsweise sollte eine Expansion ins Ausland, die im Pitch-Deck aufgeführt ist, sich auch im Finanzplan widerspiegeln. Wirkt es eher verwirrend neue Geschäftsbereiche in die Kalkulation zu integrieren, so konzentriert euch in der Darstellung lieber auf das Kerngeschäft bzw. das Kernangebot. Auch hier gilt, wie im PitchDeck: Welche Geschichte wollt ihr mit der Planung erzählen, welche Vision soll erkennbar sein?
Fazit: Habt Mut zu planen und diesen Plan in Monatsscheiben im Finanzplan abzubilden. Die Planung zwingt euch verschiedene Szenarien vorauszusehen und in Zahlen zu durchdenken, das allein wird schon Erkenntnisse bringen.
Fehler Nr. 10: Wir versenden den Finanzplan nur als PDF. Nicht, dass uns da einer drin rumpfuscht.
Falls ihr auf die Idee kommt, euren Finanzplan „hard-coded“ oder als PDF versenden zu wollen, damit keine Verknüpfungen mehr nachzuvollziehen sind, verwerft diese Idee am besten sofort wieder. Gebt euren Investoren die Freiheit, mit den Annahmen zu spielen und eure Geschäftsentwicklung mit verschiedenen Cases durchzuspielen. Versendet euren Finanzplan daher am besten wie er ist: als Tabellenkalkulation.
Fazit: Bitte den Finanzplan in Excel versenden. Investoren müssen damit arbeiten, Annahmen testen und ihre Renditechancen ausloten.
Geschrieben von: Steffi Haedicke und Jana Scharfschwerdt
Kommentare (1)
Fehler Nr. 7: KPIs berechnet sich der Investor schon selber.
Als Gründer berechne ich auf jeden Fall die KPIs selbst. Dies zeigt den Investoren nicht nur, dass ich meine Zahlen in Griff habe, sondern gibt mir auch eine stärkere Verhandlungsposition. So weiß ich, welche Inputs in meine Berechnungen einfließen und welche besonders wichtig sind – damit kann ich meinen Standpunkt vor Investoren viel besser verargumentieren.