Kennt ihr einen Gründer, der als sich lieber mit Zahlen beschäftigt, als sich 24/7 Gedanken über das Produkt macht? Oder unermüdlich darum kämpft neue Vertriebswege zu erschließen und Kooperationspartner an Land zu ziehen. Die Produktentwicklung und die Suche nach zahlenden Kunden steht immer an erster Stelle – und es wäre schlimm wenn das nicht so wäre.
Trotzdem sind Fragen wie: “Welchen Preis kann ich für mein Produkt verlangen?” oder “Wieviele Kunden muss ich gewinnen, um den Break-Even zu erreichen?” lassen aber nicht lange auf sich warten. Das Wort Kalkulation bringt an vielen Stellen einen kalten Schauer über den energiegeladenen Gründerrücken und der Finanzplan passt so gar nicht zum Startup Bullshit Bingo. Beim Thema „Finanzen“ geht’s ums Geld und Kosten. Kosten verbreiten schlechte Stimmung und schaffen die Dringlichkeit Geld reinzuholen. Beides lenkt vom Produkt ab und mit der Arbeit am Finanzplan hat das Team noch keinen Kunden gewonnen. Allein der Umstand des „Planens“ wirft Fragen auf: “Ist es wirklich sinnvoll sich über eine 3-5-Jahresplanung Gedanken zu machen, wenn ich noch nicht einmal weiß, was nächsten Monat passieren wird”.
Will sagen: Vielen visionären Gründern ist es in Fleisch und Blut übergegangen zu beschreiben wie das eigene Produkt eine ganze Industrie verändern wird, aber die konkrete Umsetzung, inklusive Planung der monetären Rahmenbedingungen, fällt schwer.
Der Schnellschuss lautet häufig: Lasst uns einen BWLer mit ins Boot holen, der sich als CFO um die Zahlen kümmert. Eigentlich logisch. Wenn ihr den Schritt geht, dann bitte richtig:
Die vier wichtigsten Kernaufgaben eines Early Stage Startup CFO
- Der Herr über den Finanzplan
Der Finanzplan sollte das Zahlen-Gehirn jeder Firma sein. Hier laufen alle Daten zusammen – externe wie interne, der Finanzplan weiß wo die Firma hinlaufen soll und erfasst ob sie zu langsam unterwegs ist oder vielleicht sogar ganz falsch abgebogen ist. Der CFO erstellt oder übernimmt die Finanzplanung mit all den relevanten Kernelementen: Ertragsplanung, Kapitalflussplanung, Personalplanung, Vertriebsplanung, ggf. Media- oder Marketingplanung. Er diskutiert Abweichungen und Veränderungen mit der Geschäftsführung, passt die Planung entsprechend fortlaufend an, und stellt sie Investoren und Geldgebern zur Verfügung.
- Der Spiegel fürs Management
Die Planung macht nur Sinn, wenn dieser Grundlage zur Zielvereinbarung für die operativen Teams werden. An der Stelle schlüpft der CFO in die Rolle eines COO und überwacht das operative Geschäft. “Wie viele Abschlüsse muss das Vertriebsteam schaffen, wann muss der neue Kanal erste Ergebnisse zeigen und wann muss das neue Produkt draußen sein?”. All diese Kenngrößen sind relevante Management Bausteine. Der CFO stimmt diese mit der Geschäftsführung ab, als COO kommuniziert er sie auch und prüft kontinuierlich den Umsetzungsstand. Der Finanzplan erweitert sich mit der Einbindung der erreichten Zahlen schrittweise zum Controlling- und Monitoringinstrument.
- Die Synapse zur Buchhaltung, manchmal ist er auch die Buchhaltung
Was den CFO eines Startups von einem CFO in einer reiferen Firma unterscheidet, ist sein breites Einsatzgebiet. Grundsätzlich ist der CFO im Einsatz um „alles mit Zahlen“ zu verantworten. Dazu gehört oft auch die Buchhaltung, Belegführung und der Zahlungslauf. Ein Steuerbüro kann dabei schon viel abnehmen, aber Vorsicht: nicht alle Steuerberater sind mit Startup-Geschäftsmodellen vertraut! Die Wahl des richtigen Beraters ist wirklich essentiell, um nicht zu viel Zeit mit Aufklärung und fortlaufenden Änderungen in der Buchhaltung zu verbringen und im Fall der Finanzierung auch den richtigen Berater für steuerliche Fragen in der Hinterhand zu haben. Trotzdem, der CFO sollte die Buchungen in den ersten Monaten kontrollieren und mit dem Steuerberater frühzeitig eine sinnvolle Kostenstellen- und damit Buchungsstruktur abstimmen, die die Kernprozesse, wichtigsten zu differenzierenden Kosten und Umsätze des Unternehmens widerspiegelt und somit das Controlling des CFO vereinfacht.
- Das Sprachrohr zu Investoren
Steht eine Finanzierungsrunde an, muss klar der Finanzplan in nötiger Belastbarkeit aber auch Klarheit darüber, wohin und wie das Unternehmen sich künftig entwickeln soll, vorliegen. Dabei muss die Planung und damit das Geschäftsmodell einfach nachvollziehbar, KPIs Vergleichswerte bieten und die Annahmen flexibel bespielbar sein, damit ein Investor für sich Szenarien testen kann. Z.B: “Was passiert wenn ein Vertriebsmitarbeiter statt zwei Vertragsabschlüssen nur einen je Monat schafft. Mit der Finanzierungsrunde einigen sich Investor und Startup auf ein meist monatliches Reporting. Dazu ist nicht nur Bedingung die Plan-IST BWA (Betriebswirtschaftliche Auswertung) gegenüberzustellen, sondern auch Unternehmenskennzahlen (KPIs) auszuwerten und schriftlich zu kommentieren. Hinzu kommt die wichtige Frage nach dem Zeitrahmen, in dem dem Unternehmen das Geld ausgeht, wozu eine Liquiditäts Plan-IST vergleich sowie ein monatlich angepasster Forecast Auskunft gibt.
Nach dem Überblick der 4 Pflichten eines jeden Early Stage Startup CFO muss man sich die Frage stellen, ob die Aufgaben in den ersten 12 bis 24 Monaten eines Startups oft zur Auslastung einer Vollzeitstelle ausreichen und ob man sein Geld hier gut investiert sieht. Betraut man während einer Finanzierungsrunde einen CFO mit dem gesamten Finanzierungsprozess inklusive Investorenkontakte, Due Diligence und Vorbereitung der Verhandlungen ist er in der Zeit zu 100% eingespannt. In anderen Phasen des Startups bleibt immer die Entscheidung über weitere Verantwortungsbereiche oder die Frage: “Muss die Wollmilchsau auch Eier legen können?”. Sprich, inwieweit wird der CFO weitere operative Aufgaben übernehmen: Übernimmt er z.B. die Vertragsverhandlung beim Einkauf von Dienstleistungen, wickelt er intern die komplette Buchhaltung ab oder hat er neben der Lohnbuchhaltung auch die Aufgabe das Recruiting und das Personal zu managen? Neben diesen typischen Zusatzrollen eines CFO kann dieser auch einen wunderbaren Projektmanager abgeben, der den visionären Kopf der Firma entlastet und die Mitarbeiter zielebasiert steuert. Schließlich ist er derjenige, der den besten Überblick über Unternehmens- und operative Ziele haben sollte.
Kommentare (2)
Sehr geehrte Kollegin,
ich danke Ihnen für Ihre klar strukturierte und auch für den Laien verständliche Darstellung einer Kernherausforderung von Start-Ups.
All den motivierten und engagierten Gründern, die diesen Artikel lesen, kann ich nur wärmstens empfehlen, früh- und rechtzeitig einen Finanzprofi mit an Bord zu holen. Und wenn es nur als “Teilzeit-” oder Interims CFO ist. Er/sie wird Euch helfen, den Kopf für das Produkt und den Vertrieb frei zu haben.
Viel Erfolg
Frederic Pfeffer
Lieber Herr Pfeffer,
Danke Ihnen – Produkt und Vertrieb sind Prio weil überlebenswichtig, alles andere holt man sich schrittweise dazu.
Beste Grüße,
Jana
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